Einst hat die Nachricht die Republik erschüttert: Bundeskanzler Ludwig Erhard lasse sich im Park des Palais Schaumburg eine Dienstwohnung bauen. Mit Schwimmbad! Besucher des 1964 fertiggestellten Kanzlerbungalows aber sind noch heute überrascht – aufgrund der Enge, die zentrale Räume des Wohntraktes kennzeichnet, und weil das Schwimmbad mit einer Beckenlänge von drei mal sechs Metern doch sehr klein ist. Die Transparenz, die das geradlinige, mit vielen Glasfassaden bedachte Gebäude nach außen demonstriert, verkehrt sich im Privattrakt nahezu ins Gegenteil. Die Schlafzimmer besitzen keine Fenster nach außen. Eine Glasfront mit Schiebetür führt lediglich in einen winzigen Innenhof, so dass der Blick auf die Räume gegenüber und den kleinen Swimmingpool fällt.
Die Kritik, die anfänglich am Kanzlerbungalow geübt wird, hat allerdings andere Ursachen. Ausgerechnet jener Politiker, der das Maßhalten predigt und eben noch in der Debatte um die Kriegsopfer-Versorgung für Sparsamkeit plädiert, lässt sich einen Bungalow mit rund 800 Quadratmetern Nutzfläche und Pool bauen. Ausgerechnet er empört sich über die Forderung des Haushaltsausschusses, den Kostenrahmen dafür auf zwei Millionen DM zu beschränken. Einigen Beobachtern ist das schwer zu vermitteln. Das gilt auch für die Entscheidung Erhards, aufgrund der negativen Schlagzeilen die Presse vom Richtfest im Mai 1964 auszuschließen – und für den Baustil. „Ich fürchte“, meint Altkanzler Konrad Adenauer 1967, „der brennt nicht mal, da kann kein Mensch drin wohnen.“
Er irrt sich. Selbstverständlich können die Kanzler darin wohnen und arbeiten. Zwar geht es im Bungalow nicht immer so entspannt zu wie an den Abenden, an denen Schlagerstar Udo Jürgens für Kurt Georg Kiesinger spielt oder Helmut Schmidt selbst am Klavier sitzt. Auch kommen nicht ständig hohe Gäste vorbei wie US-Präsident Richard Nixon, die G7-Staats- und Regierungschefs oder jene Monarchen aus Japan und den Niederlanden, denen Bundeskanzler Willy Brandt oder Bundespräsident Gustav Heinemann den Bungalow als Gästehaus überlassen. Dennoch ist gerade dieser Flachbau ein Ort, an dem Politik gedacht und gemacht wurde – er ist nicht zuletzt ein Rückzugsort.
Die hochmoderne Architektur des 1964 fertiggestellten Kanzlerbungalows unterscheidet sich von den Dienstvillen anderer Länder wie vor allem dem Weißen Haus in den Vereinigten Staaten, der Downing Street in Großbritannien oder dem Elysée-Palast in Frankreich. Der Avantgardebau hebt sich bewusst von der Staatsarchitektur der NS-Zeit ab. Geplant hat ihn der Architekt Sep Ruf, der für Ludwig Erhard 1954/55 bereits ein Privathaus in Gmund am Tegernsee gebaut hat. Der private und der repräsentative, öffentliche Teil des Gebäudes sind streng voneinander getrennt.