Bundeskanzler Konrad Adenauer findet keinen Gefallen an dem modernen Vordach des Palais Schaumburg. Ihn erinnert es an eine Tankstelle, 2006.
Zum ersten Kabinett von Bundeskanzler Willy Brandt gehören Helmut Schmidt als Finanz- und Wirtschaftsminister (vorne links) und Hans-Dietrich Genscher als Innenminister (vorne rechts), 7. November 1972.

Palais Schaumburg

Kanzleramtssitz
1949–1976

Im Palais Schaumburg befindet sich von 1949 bis 1976 das Kanzleramt der Bundesrepublik Deutschland – die Regierungszentrale aller deutschen Bundeskanzler von Konrad Adenauer bis Helmut Schmidt. Nach dem Regierungsumzug nach Berlin ist es seit 2001 der zweite Dienstsitz des Bundeskanzlers.

Das Palais Schaumburg ist aktuell wegen Renovierung geschlossen, kann aber online mit einem virtuellen Rundgang besucht werden.

Zum 360-Grad-Rundgang

Ausgerechnet ein „Kaiserbaum“ soll auf Bundeskanzler Konrad Adenauer verweisen, als Helmut Schmidt 1978 die Tradition der Kanzlerbäume im Parkgelände des Palais Schaumburg einführt. Für sich selbst pflanzt Schmidt eine Trauerweide.

Tatsächlich passt er gut, der Kaiserbaum. Er steht in jedem der Gärten, die Adenauer wichtig sind. Und gerade diese Baumsorte, benannt nach der Tochter eines Zaren und Lieblingsgewächs des österreichischen Kaisers Franz Josef, verweist geradezu auf das Gebäude, das von 1949 bis 1976 Dienstsitz der deutschen Bundeskanzler ist: das „Palais Schaumburg“, das aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt.

Bundeskanzler Konrad Adenauer sitzt an seinem Schreibtisch im Palais Schaumburg, 8. Februar 1960.

1858 gebaut von einem Tuchfabrikanten, zieht in die Villa 1894 Viktoria von Preußen, die kleine Schwester von Kaiser Wilhelm II. Sie ist mit Prinz Adolf zu Schaumburg-Lippe verheiratet. Höfischen Glanz bringt sie an den Rhein, auch der Kaiser ist mehrfach zu Besuch (er übernachtet im späteren Kabinettszimmer der Bundeskanzler). Und für Skandale sorgt Viktoria dazu: Als Witwe lässt sie sich auf die Ehe mit einem Hochstapler ein und verarmt. Das Deutsche Reich kauft das Gebäude, 1945 ziehen britische und belgische Besatzungssoldaten ein.

Nach Gründung der Bundesrepublik 1949 bekommt das Palais eine neue Funktion: Konrad Adenauer, im September zum ersten Bundeskanzler gewählt, will die provisorisch eingerichteten Kanzleramtszimmer im Zoologischen Museum Alexander Koenig möglichst schnell verlassen.

Arbeitszimmer mit Schreibtisch und Holzmobiliar, darauf Akten, roter Webteppich und große Erkerfenster.
Das wieder eingerichtete Arbeitszimmer von Konrad Adenauer präsentiert Bundeskanzler Helmut Kohl 1983 der Presse. Das Foto zeigt es im Jahr 2005.

Er macht sich bereits im Oktober für einen Auszug der Belgier aus dem Palais stark und zieht am 23. November ein.

Zu diesem Zeitpunkt arbeiten im Palais Schaumburg Handwerker. Die ersten Schreiben zwischen Adenauer und seinem Architekten Hans Schwippert klingen noch freundlich: „Sehr geehrter Herr Professor“, schreibt Adenauer am 2. Dezember 1949, „ich möchte Sie bitten, die Umbauarbeiten in der Villa Schaumburg mit größt möglicher Beschleunigung durchzuführen. Die Räumlichkeiten reichen für den Dienstbetrieb keineswegs aus.“

Aber der Ton verschärft sich. Nicht nur erscheinen Adenauer bald die weißen Wände zu hell, die Stühle zu grün, der Schreibtisch zu niedrig und die Badewanne zu klein. Dazu diese moderne neue Treppe – und ein neues Vordach, das einer Tankstelle gleicht! Schwippert versucht offenbar auch, die von Adenauer beschafften antiquarischen Möbel loszuwerden. Zumindest bei der Inneneinrichtung ist es am Ende Adenauer, der sich durchsetzt.

In seinen Amtsjahren macht er im Palais Schaumburg auch von den dortigen Rückzugsmöglichkeiten Gebrauch: von den Privaträumen, in die er sich zur Mittagsruhe zurückzieht (und für die er eine kleine Miete zahlt), vom Park, durch den er mit Beratern wie Staatssekretär Hans Globke flaniert, von der Möglichkeit, abends in wenigen Minuten sein Wohnhaus in Rhöndorf zu erreichen – per Dienst-Mercedes und Rheinfähre.

Bundeskanzler Konrad Adenauer (r.) begrüßt den französischen Präsidenten Charles de Gaulle am 4. Juli 1963 im Palais Schaumburg. Schon zwei Jahre zuvor spricht Adenauer davon, dass er eine Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich für möglich hält.

Im Palais Schaumburg wird es über die Jahre der Kanzlerschaften von Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt und Schmidt immer enger. Das können auch zwei Erweiterungen nicht ausgleichen. Erst 1969 wird ein Neubau auf den Flächen zwischen Palais und Bundeshaus in Auftrag gegeben, der 1976 bezugsfähig ist.

Aber die Enge macht auch den Charme des Palais Schaumburg aus. „Das Palais Schaumburg war mir immer sympathisch: auch wegen seiner Unvollkommenheiten“, schreibt Klaus Harpprecht, der im Turmstübchen des Palais Schaumburg die Reden für Willy Brandt formuliert: „Heitere Mischung von Biedermeier und viktorianischen Elementen, etwas bizarr, liebenswürdig wie so vieles, das nicht stilrein ist. [...] Knarrende Dielen unter den Teppichen. Ein bißchen Weißes Haus. Eine glückliche Wahl des Alten.“

Dieser Ort ist Teil der Rundgänge Weg der Demokratie und Anfänge der Demokratie sowie der Tour Kanzlerweg und der Villen-Tour.

Wussten Sie schon ...

… dass das Palais Schaumburg auch nach Einweihung des neuen Kanzleramts 1976 weiter genutzt wurde? Helmut Kohl unterzeichnet hier manche Verträge. Und Gerhard Schröder wohnt 1998 sogar für viele Monate dort. Noch heute ist es zweiter Dienstsitz der Bundeskanzler.