Theodor Heuss weiß, was er tut, als er am Abend des 12. Septembers 1949 als frisch gewählter erster Bundespräsident vom Regierungsviertel auf die Freitreppen vor dem Alten Rathaus am Bonner Marktplatz eilt. In seiner Rede erinnert er an den März 1848, an dem die liberalen Revolutionäre Gottfried Kinkel, Ernst Moritz Arndt, Friedrich Dahlmann und Carl Schurz auf den Marktplatz eilten und die schwarz-rot-goldene Fahne schwenkten, und an ihr Scheitern. Er spricht vom „doppelten Sturz der Staatlichkeit“ im Jahrhundert danach, dem Neuanfang, der nun versucht werde, und sagt: „Wir haben den verfassungsmäßigen Akt der Wahl des Bundespräsidenten vor einer halben Stunde abgeschlossen. […] Als die alten deutschen Staatsoberhäupter gewählt wurden, da ist ihre Wahl erst dann wirklich bestätigt worden, wenn sie vor das Volk traten […] Diese Begegnung, die heute Abend hier stattfindet ist nicht bloß ein Nachspiel zu dem, was im Bundeshaus geschehen, sondern gehört für mein Empfinden mit dazu.“
Theodor Heuss, einer der Gründerväter der Bundesrepublik: Gleich nach seiner Wahl zum ersten Bundespräsidenten sucht er die Nähe zur Bevölkerung. Damit eröffnet er die lange Reihe bedeutender Köpfe, der Bonns Bevölkerung ab 1949 vor dem Rathaus zujubelt – einem Gebäude mit prächtiger Fassade. Es stammt aus dem 18. Jahrhundert, wurde beim britischen Bombenangriff auf Bonn am 18. Oktober 1944 aber bis auf die Außenmauern zerstört. Der Wiederaufbau ist erst 1950 vollendet.
Vor diesem Rathaus spielen sich bei unzähligen Staatsbesuchen Szenen ab, die nicht zuletzt jene beeindrucken, die sich in das Goldene Buch der Stadt Bonn eintragen. Der jubelnde Empfang der Gäste trägt zu emotionalen Gesten der Versöhnung bei, etwa beim Besuch des französischen Präsidenten Charles de Gaulle, der am 5. September 1962 ruft: „Es lebe Deutschland, es lebe Frankreich, es lebe die deutsch-französische Freundschaft!“