Die Herausforderungen des neugegründeten Auswärtigen Amts sind nicht gering: Es soll das verlorene Vertrauen der Welt in Deutschland wiederherstellen und den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik untermauern. Zunächst stellen sich zudem ganz praktische Fragen: Wie lässt sich der anfänglichen Verteilung der Dienststellen auf bis zu 20 Privat- und Bürohäuser in Bonn und Bad Godesberg ein Ende bereiten?
Die Lösung ist ein ebenso großer wie karger neungeschossiger Bau mit gläsernem Treppenhaus und genau 1112 Fenstern. Er liegt in der Nähe des Kanzleramts, ist über die „Diplomatenrennbahn“ an das feine Bad Godesberg angebunden, wo sich viele Botschaften befinden. Und „der Nutzwert dieser Gebäudeanlage wird ihr über ihren jetzigen Bestimmungszweck hinaus bleibende Anziehungskraft verleihen.“ Das jedenfalls prophezeit nach der Vollendung des Baus im September 1955 die Zeitschrift Die Bauverwaltung.
Ein schwieriger Balanceakt ist in den Anfangsjahren der deutschen Außenpolitik die Rekrutierung des Personals. „Manche Spitzenpositionen“, schreibt der Diplomat Ulrich Sahm in seinen Erinnerungen, besetzen Diplomaten, die bereits für das „Dritte Reich“ tätig waren. „Entweder hatten sie sich bewußt oder gedankenlos zu tief in das widerliche Geschehen verstrickt, oder das ohnmächtige Bemühen, trotzdem anständig zu bleiben, hat sie ihre Kraft gekostet.“ Auf eine Artikelserie in der Frankfurter Rundschau hin beschäftigt sich 1951/52 ein Untersuchungsausschuss des Bundestags mit diesem Problem. Aber selbst der Architekt des neuen Amts, Hans Freese, hat eine heikle Biografie – der Professor war einst für Hitlers Architekten Albert Speer tätig, den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Berlin, und sollte unter anderem Speers Privathaus errichten.
Die Politik der Westintegration und Versöhnung in der Ära Adenauer, die neue Ost- und Entspannungspolitik Brandts und Scheels, die Diplomatie Hans-Dietrich Genschers in der deutschen Frage 1989/90 sowie bei der europäischen Integration bis zum Abschluss des Maastrichter Vertrags 1992 – sie zeugen dann doch von einem neuen, anderen Deutschland. Im „Weltsaal“ des Auswärtigen Amts findet 1990 eine Runde der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen mit den Siegern des Zweiten Weltkrieges über die „äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit“ statt, mit denen Deutschland völkerrechtlich vollends souverän wird.
Seit dem Berlin-Umzug des Auswärtigen Amts ist das Gebäude in Bonn dessen zweiter Dienstsitz. Ein Teil der Anlage beherbergt seit 2007 das neugegründete Bundesamt für Justiz.
Dieser Ort ist Teil des Rundgangs Weg der Demokratie sowie der Architektur-Tour und der Tour Bonn international.