Nachdem Bundeskanzler Konrad Adenauer gestorben und im Erdgeschoss seines Amtssitzes im Palais Schaumburg aufgebahrt worden ist, verstreichen zweieinhalb Jahre. Dann entscheidet das Bundeskabinett 1969, endlich einen Ersatz für das enge, Dielen-knarzende Palais zu errichten – auf den Wiesen zwischen Palais Schaumburg und Bundeshaus. Horst Ehmke, der für seinen Planungsgeist bekannte Kanzleramtsminister Willy Brandts, will eine „moderne, funktionsfähige Regierungszentrale.“
Als der von den Architekten der „Planungsgruppe Stieldorf“ entworfene Flachbau im Sommer 1976 bezugsfertig ist, hält sich die Begeisterung trotzdem in Grenzen. „Es könnte“, lästert Brandts Nachfolger Helmut Schmidt als erster Hausherr, „genauso gut eine rheinische Sparkasse darin residieren oder der Giro- und Sparkassenverband oder eine Lebensversicherung.“
Das stimmt. Allerdings ist „gerade die bewusste Absage an alle großen Gesten“ von „hoher Symbolkraft“. So erläutert es der Architekturkritiker Heinrich Wefing und ergänzt: „Hier residiert der erste Angestellte der Bundesrepublik, der Geschäftsführer der Deutschland GmbH, in einem Bürohaus, das nichts sein will als ein Bürohaus. Kein Marmor, keine pompösen Hallen, nirgends auch nur die leiseste Erinnerung an den Bombast von Hitlers Neuer Reichskanzlei.“
Bald nach dem Einzug findet Bundeskanzler Helmut Schmidt einen Weg, dem ungeliebten neuen Kanzleramtsgebäude, zu dem auch ein Atombunker gehört, eine „eigene, eine menschliche Atmosphäre“ zu verpassen. Er lässt Kunst einziehen – Werke beispielsweise von Karl Schmitt-Rottluff, Erich Heckel oder August Macke. Sie stammen bewusst von Künstlern, die der Nationalsozialismus verachtet hat.
In den Eingangsbereich des Geländes lässt Schmidt die Skulptur „Large Two Forms“ des Briten Henry Moore setzen. Der Kanzler deutet sie als „Ausdruck für Menschlichkeit“ und sagt bei der Einweihung: „Dieses Haus sollte auch kulturell das Selbstverständnis unseres Volkes, unseres Staates repräsentieren.“