Trotzdem lohnt sich ein Blick in den Bau bis heute, da der Plenarsaal Teil des World Conference Centers ist und Großveranstaltungen wie die UN-Klimakonferenz 2017 oder das alljährliche „Global Media Forum“ der Deutschen Welle beherbergt. Dem Architekten Günter Behnisch, der Anfang der 1970er Jahre bereits gemeinsam mit Frei Otto für die einladend offene Zeltdach-Konstruktion des Münchner Olympiastadions verantwortlich ist, gelingt nämlich ein Glanzstück demokratischer Architektur: ein lichtes, gläsernes und transparentes Parlament. Es ist geprägt von Einblicken nach innen, Sicht-Achsen nach außen und jener runden Anordnung der Sitze im Plenum, die Hans Schwippert bei seinem Plenarsaal 1949 noch nicht durchsetzen konnte.
Fast scheint es, als säßen die Volksvertreter im Freien zwischen den Bäumen, dem Himmel und dem geschichtsträchtigsten aller deutschen Flüsse, dem Rhein. Selbst gegen eine gesunde Portion Chaos ist nichts einzuwenden: Die fröhlich ineinander verkeilten Holzlatten an einem Treppengeländer sehen aus wie ein „Vogelnest“.
An diesem optimistischen, endlich nicht mehr wie ein Hörsaal wirkenden Ort versucht das erste gesamtdeutsche Parlament seit 1992 den „Aufbau Ost“ zu gestalten. Hier diskutieren die Abgeordneten 1993 auch die Verschärfung des Asylrechts, belagert von Demonstranten, 1998 die Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung Euro oder den Kampfeinsatz der Bundeswehr im Kosovo, der im März 1999 stattfindet.
Dann ist es vorbei. „Wir gehen nach Berlin, aber nicht in eine neue Republik“, sagt Helmut Kohl, als der Bundestag am 1. Juli 1999 zum letzten Mal in Bonn tagt. Er setzt im Plenarsaal zu einem Loblied auf den „Genius loci dieser Stadt“ an, der so wichtig für die Stabilität der Bundesrepublik gewesen sei: „Er bildete den idealen Nährboden für eine politische Kultur, die in hohem Maße dazu beigetragen hat, unserem Land Vertrauen, Ansehen und nicht zuletzt Sympathie in der Welt zurückzugewinnen. [...] Es ist ein wahrlich kostbares Erbe, das Bonn an Berlin weitergibt [...].“
Der ehemalige Plenarsaal ist Teil der Rundgänge Weg der Demokratie, Parlamentsweg und Parteienweg sowie der Architektur-Tour und der Tour Bonn international.