Das Bundesbüdchen an seinem neuen Standort im ehemaligen Regierungsviertel, 2021.
Fast 50 Jahre lang hat der Kiosk seinen Platz an der Görresstraße, hier im Jahr 2005.

Bundesbüdchen

1957-2006

Ein unscheinbarer Kiosk im Pavillon-Stil wird nach dem Berlin-Umzug 1999 zum „Symbol der Bonner Republik“. Zuvor ist es ein Ort beiläufiger Begegnungen, kurzer Gespräche, inoffizieller Treffen von Politikern, Journalisten und Besuchern.

Seit dem Jahr 2020 steht das Bundesbüdchen an der Heussallee 13.

Das Bundeshaus mit Bundesrat, Bundestag und Abgeordneten-Hochhaus, das Kanzleramt als Sitz der Regierung und die Villa Hammerschmidt als Amtssitz des Staatsoberhauptes – alles Gebäude, die man sofort mit der politischen Geschichte der Bundesrepublik in Verbindung bringt, und natürlich sind sie zusammen mit dem 1969 errichteten „Langen Eugen“ auch architektonisch ihr Erkennungszeichen.

Zum „Symbol der Bonner Republik“  wird nach dem Berlin-Umzug 1999 allerdings ein anderer Ort stilisiert: ein unscheinbarer Kiosk im Pavillon-Stil der fünfziger Jahre, der bis zum Baubeginn des neuen Kongresszentrums 2006 an der Straßenecke gegenüber des Bundesrats steht.

Der rote, geschwungene Schriftzug auf dem Dach des Bundesbüdchens in Nahaufnahme.
Der Schriftzug des Bundesbüdchens vor dem ehemaligen Abgeordnetenhochhaus, in dem heute die UN untergebracht ist, 2020.

Betrieben hat ihn eine Frau namens Christel Rausch, die schon in den Anfangsjahren der Republik an der Görresstraße mit einem Obstkarren auf Kundschaft wartet. Die Kriegswitwe, die aus Landskron im Sudentenland stammt, ist froh darüber, so ihre Existenz zu sichern und steht bei Wind und Wetter im Freien.

Aus dem Karren wird ein Verschlag, aus dem Verschlag ein mobiler Verkaufsanhänger. 1957 darf Christel Rausch schließlich ein befestigtes Gebäude im Pavillon-Stil errichten. Hier gibt es unter anderem Zeitungen, Zeitschriften, Zigaretten und Brötchen zu kaufen.

Das Büdchen wird zum Ort beiläufiger Begegnungen, kurzer Gespräche und inoffizieller Treffen von Politikern, ihren Mitarbeitern, Journalisten und Besuchern – unprätentiös und menschlich. „So war halt Bonn“, hat der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm über den Kiosk gesagt: „Nicht großspurig. Eine liebenswerte Republik.“

Das „Bundesbüdchen“ ist nicht zuletzt ein nostalgischer Ort.

Nachaufnahme eines langen, flachen Anhängers mit vielen Reife, auf dem der Kiosk steht.
Ein Schwertransporter bringt das Bundesbüdchen im Mai 2020 zurück ins ehemalige Bundesviertel.

Umso größer ist 2020 die Freude über die Rückkehr des denkmalgeschützten Kiosks ins Viertel – per Tieflader reist er von einem Bauhof in Bornheim, wo er auf ein Ende der Umbauarbeiten im Bundesviertel gewartet hat, zur Heussallee 13 als neuem Standort.

Nur Jürgen Rausch, der als Kind oft neben seiner Mutter saß und von 1984 bis 2006 den Kiosk führte, steht nicht mehr drin. Er ist als Zeitzeuge gefragt.

Ein älterer Mann hält ein Foto des Kiosks an seinem alten Standort hoch, im Hintergrund ist der Kiosk mit verbarrikadierten Fenstern auf einem Bauhof zu sehen.
Jürgen Rausch und der "Förderverein Historischer Verkaufspavillon" kämpfen jahrelang für die Rückkehr des auf einem Bauhof eingelagerten Bundesbüdchens.

Der „Augsburger Allgemeinen“  etwa erzählt er von Stammgästen wie Joschka Fischer, der alle Schlagzeilen „durchpflügte“ und Asterix-Hefte bei ihm kaufte, von Otto Graf Lambsdorff, der schon am Kiosk stand, wenn ihn Rausch morgens um halb sechs aufmachte, von Hans Dietrich Genscher, der „immer im Tross“ kam und Gummibärchen für die Dienstreise holte oder Helmut Kohls Fahrer „Ecki“ Seeber, der „das berühmte Käsebrötchen“ einkaufen musste: „Es war ein Umgang auf Augenhöhe“, sagt er.

Dieser Ort ist Teil der Architektur-Tour.

Wussten Sie schon ...

… dass es auch am Bundeskanzlerplatz einen Kiosk aus der Zeit gibt? Die Stadt baut ihn 1952 an der Straßenbahn von Bonn nach Bad Godesberg, doch in Kioskbetrieb geht er nie. Stattdessen nutzen ihn eine Agentur der Fluggesellschaft Scandinavian Airlines und später eine Autovermietung.